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Musicmirror
RADIO BRENNER oder „Große Sprüche, nichts dahinter“
Understatement war nie seine Stärke. Der Musikproduzent Alfred Scholz (Spitzname „Millionen-Alfred“) wollte von Südtirol aus dem Bayerischen Rundfunk das Fürchten lehren. Und so polterte er schon Monate vor dem Start seines wagemutigen Projekts „Radio Brenner“ ordentlich los: „Wir orgeln alles nieder“ oder „Wenn wir einschalten, dann wackelt in Hamburg der Michel“ sind nur zwei seiner legendären Sprüche.
Zusammengetan hatte sich Scholz unter anderem mit dem Schweizer Wirtschaftsanwalt
Dr. Rolf Egli, dem Allkauf-Unterneh- mer Ackermanns und der Neuen Constantin Film. Die nahezu vergeb- lichen Versuche von Jo Lüders und Jürgen von Wedel, mit Radio Bavaria International in ordentlicher Qualität München zu erreichen, kannte man natürlich. Doch mit viel Geld wollte man alles viel besser machen.
In der Presse wurde Radio Brenner vollmundig angekündigt. Thomas
Waldemar Müller, Kult-Moderator von Radio Brenner, verstarb 2001. Er war seinerzeit vom Süddeutschen Rundfunk Stuttgart (SDR) nach Sterzing gekommen.
Gottschalk werde man als Moderator holen, hieß es etwa. Gottschalk sagte zwar ab, dafür kamen aber der gelern- te Koch Bernd Kühl als Programm- chef, Waldemar Müller, Susanne Eick (beide SDR), Dick Dail (Ex-AFN), Rai- ner Schauberger, Jürgen Kauer, Tho- mas Weigt (alle Sender Freies Berlin & RIAS Berlin) und noch einige mehr ins Funkhaus in der Sterzinger Rathaus- gasse, um bei der Radio-Revolution mit von der Partie zu sein.
Doch eines mussten die Beteiligten schnell lernen: Geld kann zwar vieles bewirken, aber es versetzt keine Ber- ge. Denn ebenso wie die Bavaria-Ma- cher scheiterte auch Radio Brenner
Das erste Brenner-Funkhaus in der Sterzinger Rathausgasse.
am gewaltigen Karwendel-Massiv. Woher die Messergebnisse kamen, die das Team in der Vorbereitungs- phase so euphorisch stimmten, ist bis heute ein Geheimnis. Korrekt wa- ren sie jedenfalls nicht. Denn als es Mitte 1981 tatsächlich losging, stellte sich schnell heraus, dass auch vom Brenner-Sendestandort Flatschspitze (ca. 2300 m) die bayerische Landes- hauptstadt nur über Spiegelungen und damit in mangelhafter Qualität erreichbar war. Im Raum Innsbruck, in Augsburg oder in Ingolstadt war das Signal zwar erheblich besser, doch die prognostizierten opulenten Werbeeinnahmen konnte man hier natürlich nicht generieren.
Radio Brenner sendete zunächst auf 102,0 Mhz. Schnell belegte der Baye- rische Rundfunk aber diese Frequenz mit seinem Klassikprogramm, so
dass man auf die 104,05 wechselte. Die Sendungen auf Radio Brenner nannten sich unter anderem „Hello Good Morning“, „Pop Shop“, „Hör- bar“, „Relax“, „Pop nach der Penne“ oder „Dauerbrenner“ und wurden aus technischen hochwertigen Studios gefahren: EMT-Plattenspieler, Misch- pulte und Bandmaschinen von Stu- der und Sennheiser-Mikros gehörten zum Standard-Equipment. Die Inves- titionen standen allerdings von Be- ginn an in keinem Verhältnis zu den Werbeeinnahmen. Bei einer ersten Bi- lanz-Prüfung konnte Geschäftsführer Alfred Scholz für Ausgaben in Höhe von 800.000 DM zudem keine Belege vorweisen. Eine erste Krise deutete sich demnach bereits nach wenigen Monaten an.
Das Team um Programmchef Bernd Kühl hielt allerdings zunächst noch wacker durch, denn große Konkur- renz war erst mal nicht in Sicht. Dies
Programmchef Bernd Kühl.
änderte sich schlagartig im Jahre 1983. Mit Dr. Rolf Egli war mittlerwei- le einer der wichtigsten Investoren ausgestiegen. Irrtümlicherweise ver- muteteman,derSchweizerwollesich
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