Harry Bischofberger
Harry Bischofberger: Ein Leben für den Rock’n’Roll
Es ist doch schon eine Zeit lang her, seit ich in Sachen Kulturberichterstattung unterwegs war – und da hab ich für den quasi „Wiedereinstieg“ gleich was deftiges serviert bekommen. Aus dem HQ (Headquarter) in Innsbruck kam der Auftrag: „ … ich brauche ein Portrait von Harry Bischofberger …“
(wl) Punkt. Durchschnaufen – Wow. Was für eine Challenge! Ein Portrait über einen der besten Rockmusiker, den unser Ländle herausgebracht hat. Wo soll ich anfangen? Wo aufhören? Am besten Telefon zur Hand und den Altmeister des Ländlerock selber fragen.
„Ja hallo, grüß dich ….“ schallt es gleich schonmal mit freudiger, symphatischer Stimme am anderen Ende. Ein Treffen gestaltete sich dann allerdings ob seiner terminlichen Gefangenschaft schon etwas schwieriger. Zu guter Letzt konnten wir uns auf einen gemütlichen Sonntag-Nachmittags Plausch in einem schattigen Gastgarten in Hohenweiler treffen.
Ausgerüstet mit einem Rucksack voll Fragen traf ich am verabredeten Ort ein, doch schon nach den ersten Minuten warf ich selbigen wieder über Bord. Mir gegenüber saß einer der legendären Rockgrössen des Landes, neben sich einen Karton mit alten Bildern und Zeitungsausschnitten, deren gelblich-brauner Stich schon den ehrwürdigen Charakter kostbarer Zeitdokumente erahnen ließ.
„Ich hab mal auf die schnelle ein paar Sachen zusammengesucht – was wollt Ihr denn von mir wissen“, begann er und hatte schon sein aktuellstes Plakat auf den Tisch gelegt. Dazu später, ich will ja was von seinen Anfängen wissen. Und schon lagen die vergilbten, abgegriffenen Zeitungsschnipsel vor mir.
„Ja, das waren Zeiten …“. Seine Augen glänzten bei diesen Worten und schon waren wir mitten im Thema. Stichwort: Badge – mehr konnte ich gar nicht sagen, da fetzten schon die Fotos auf den Tisch und aus dem mitgebrachten Karton zog er ein Exemplar des „Rennbahn-Express“ aus dem Jahr 1982 hervor. „Die Konkurrenten von NO BROS kommen aus Vorarlberg“ und „Österreichs Hardrockstars kommen aus dem Westen …“ sind nur mal zwei Zitate daraus.
„Wir hatten damals in London die Single Jogging aufgenommen. Fast 2 Jahre haben wir daran gearbeitet. Als wir dann endlich fertig waren, schlug der Song sofort ein. Wir stürmten die Ö3 Charts – zumindest kam es uns damals so vor … es war ein unbeschreibliches Gefühl.“ Und wieder glänzten seine Augen.
„Wir spielten dann mit den Austro-Grössen auf dem Festival in Pinkafeld … NO BROS, Opus, Wolfgang Ambros, EAV … und Badge mittendrin, es war gigantisch. Da hab ich auch noch eine kleine Epsiode dazu: OPUS war sich nicht einig, ob sie Live Is Life spielen sollen oder nicht, sie haben es ja nur aus Jux aufgenommen … und sie haben es gespielt und später war es der Hit der Gruppe – so spielt das Leben“.
Andere Highlights von Badge? Da gab es natürlich schon vor der Single-Veröffentlichung einige „lässige Gschichten“. Badge spielte nicht nur auf vielen namhaften Festivals in Europa sondern waren auch Support-Act von noch namhafteren Bands wie Wishbone Ash, Whitesnake, Deep Purple, Tina Turner uvm.
So – Stop – ich meine, das kommt ja nicht einfach so über Nacht. Damals schon gar nicht. Heute stellt man einen Song ins YouTube und ein paar Tage später ist man schon in aller Munde, ohne auch nur eine CD verkauft zu haben. Früher musste man schon einige wichtige Leute von seiner Qualität überzeugen. Wie hat Harry also angefangen?
Er lacht. „Angefangen hab ich mit der Gitarre mit Am Brunnen vor dem Tore“, jetzt lache ich, „dann brachte mich mein Vater mit einem seiner Bekannten, einem Berufsmusiker zusammen. Das hat mir dann schon imponiert und ich wollte was Eigenes machen. Meine ersten Band-Gehversuche startete ich mit den Black Berries, das muß so um 1970/71 gewesen sein, dann folgte die Formation Yosemit Salem. Keine Ahnung wie wir damals auf den Namen gekommen sind. So um 1978, ich denke mal das stimmt, formierte ich dann die Gruppe Badge. Da kamen dann die ersten internationeln Acts. Wir waren ständig unterwegs, hatten Beziehungen in London, haben dann dort auch unsere Single aufgenommen und eine Menge grandioser Rockmusiker persönlich kennengelernt. Badge existierte dann mit Unterbrechung bis 1989. Der letzte Live-Auftritt der Band war bei der legendären Osterrock-Party in der Bregenzer Remise.
In den späten 90ern gab es noch Big Block und eigentlich erst seit kurzer Zeit gibt es wieder eine fixe Formation für mich, die Harry Bischofberger Band. Dazwischen gab es natürlich einige Projekte mit Benny Bilgeri, Rolf Aberer, Tony Heidegger, Tschako und die Kapelle, die Kiosk Allstar Band, dann mit meinen alten Bandkollegen Geri Zuco und Martin Hämmerle und … ach, was waren so viele Geschichten …“
Endlich wieder mal Zeit für einen Schluck auf die trockene Kehle und für mich die Gelegenheit, doch noch ein paar Fragen an den Mann zu bringen.
Warum hat Badge aufgehört? Nach diesen Erfolgen wäre doch sicher noch mehr drin gewesen.
Harry holt tief Luft und grinst. „Ja sicher, wir bekamen sogar ein sehr verlockendes Angebot von der Plattenfirma CBS. Jeder andere hätte damals sofort zugeschlagen, wir ja auch. Wenn, ja wenn ich nicht so ein paar Stündchen am See (Bodensee, Anm. d. Red) alleine vor mich hingegrübelt hätte. Da drängte sich mir die Frage auf: Was machst du, wenn CBS von dir fordert, in der Shopping-City für das Waschmittel Ariel in einer samtgrünen Schlaghose, mit Glitzersakko und was weiß ich für sonstigem Outfit einen Werbeauftritt zu machen … Harry, willst du das? Nein, wollte ich nicht. Sicher, das hätte nicht so kommen müssen, aber es hätte. Und ich glaube, dann wäre der Spaß am Rock verlorengegangen und dieser Spaß war und ist mir das wichtigste.“ Sagt er und nimmt wieder grinsend einen Schluck aus seinem mittlerweile kalten Kaffee. Glaub ich ihm auch sofort aufs Wort. Er strahlt bis über beide Ohren, wenn das Gesprächsthema Musik lautet. Man trifft ihn auf zahlreichen Konzerten, nicht nur als Act, auch als begeisterter Zuhörer und es freut ihn riesig, wenn junge Künstler sich mit Begeisterung auf der Bühne präsentieren.
„Wir hatten damals bei weitem nicht soviele Möglichkeiten – aber auch nicht soviel „Konkurrenz“, um einen Gig zu spielen. Als ich anfing, gab es in Vorarlberg noch keine Veranstalter, die sich der Rockmusik verschrieben haben, geschweige denn Lokalitäten mit dieser Livemusik. Wir organsierten uns eben die Gigs selber, zusammen mit 2, 3 anderen Bands. Natürlich mit wechselndem Erfolg, mal war die Turnhalle voll, mal spielten wir eben vor 10 bis 15 Leuten. Aber es machte Spaß.“
Apropos Spaß, werfe ich ein, was macht Harry heute? Ist er der Musikbranche treu geblieben? Ist er. Nicht nur mit seinem Trio „Harry Bischofberger Band“. Harry gibt sein Wissen und seine Freude an der Rockmusik auch beruflich an jeden weiter, der daran teilhaben will. Sei es als Spezialist in einem Schweizer Musikgeschäft oder als „Lehrer“. Ja richtig, man kann auch bei ihm Unterricht nehmen. Ganz individuell. Und wer das will, trifft ihn sicher im neuen Medium Facebook.
Beim Stichwort „neu“ drängt sich mir die Frage auf: Wie alt ist Harry eigentlich? Nächstes Jahr hat er den runden 6er. Glaubt man ihm gar nicht. Auf jeden Fall ist er nicht „too old to rock’n roll“.